Sie-er-es

Samstag, 13. August 2005

Er

Die Füße auf der Schreibtischkante. Ineinandergestürzte Papierstapel auf dem Fußboden. Der Kopf hängt nach hinten über die Stuhlkante. Er betrachtet das lose Kabel, das aus der Decke hervorbaumelt und den Haken daneben. Der Haken würde sein Gewicht nicht halten. Er würde aus der Decke brechen und ihn unter einem Regen von Mörtel- und Farbbröckchen auf den Boden stürzen lassen, zwischen die sinnlose Ansammlung von bedrucktem Papier. Nicht hoch genug um sich auch nur annähernd so ernsthaft zu verletzten, wie es sein Bedürfnis nach Selbstmitleid erfordert. Er wird sich nur lächerlich machen. Er spürt, wie sein Hintern langsam über die Stuhlkante abrutscht und lässt es geschehen. Mit einem erbarmungslosen, den Hebel- und Naturgesetzen gehorchenden Knarren gibt der Stuhl nach, rutscht unter ihm weg und hinterlässt ein paar schmerzhafte Schrammen auf seinem Rücken. Nicht schmerzhaft genug. Auch der Sturz ist nicht schmerzhaft genug für seinen Arsch, auf den er stolz ist. Ein hübscher Arsch. Auf was kann er sonst stolz sein. Sein 160er IQ vermodert in dieser Bruchbude, füttert gelegentlich ein unwichtiges Fachmagazin mit unwichtigen unglaublichen Berechnungen über den Drehmoment unvorstellbarer Gaswolken am Rande der denkbaren Zeit, die nicht mehr als drei Menschen auf der Welt hinreichend verstehen, aber selbst das ist ungewiss.
Er dreht sich auf den Bauch und atmet den Geruch des staubigen löcherigen Teppichs tief ein. Er schließt die Augen und stellt sich vor, dieser unwürdige Sturz mit dem rutschenden Stuhl wäre wenigstens das Ergebnis des aggressiven Manövers einer aufregenden fordernden Frau, die das morsche Möbel unter seinem Arsch weggetreten hat, weil er es versäumt hat, sich bei ihrem Eintreten ins Zimmer zu erheben und sie mit einem ehrerbietigen Kniefall zu begrüßen. Grade stellt sie ihren Fuß in seinen Nacken, während er sich bemüht seine ihrem Zweck soeben innig nachgebenden Schwellkörper mit nicht allzu offensichtlichen kreisenden Beckenbewegungen gegen den schmutzigen Boden zu pressen, als unmittelbar neben seinem Ohr das Telefon schrillt.
Einem Reflex folgend nimmt er den Hörer ab, und hört, kaum ein Stöhnen der Verzweiflung unterdrückend, Ansgars Stimme. Dieser mit seinem Vornamen ebenso wie mit seinen extraordinären Glasbausteindioptrien geschlagene Mensch Marke Achduarmesau.
Er hat ihm einen Link geschickt. Ja, er wird ihn jetzt gleich anschauen, jetzt, sicher, wahnsinnig interessante Sache. Nein, du störst leider sehr, ich habe viel Arbeit. Schon gut, du brauchst dich nicht entschuldigen.
Jetzt hackt er auch noch auf diesem Würstchen rum. Prügel verdient er. Ja.
Er wird nachschauen, dann kann er diesen garantiert dämlichen unwichtigen Link sofort kommentieren, zur Strafe für Lügen und Unverschämtheiten.
Ein Seufzer. Einwählen. Ansgars Link funktioniert nicht. Die Seite eines Amateurastrophysikers auf den Philippinen. Wundervoll. Dafür funktioniert der Link in der Mail davor ausgezeichnet. Blanke Popos. Verdiente Strafe, liest er da. Frauenärsche, natürlich Frauenärsche. Und wer schlägt mich?
Im Gästebuch stolpert er über sie. Männerärsche sind nicht schön genug mutmaßt sie da. Stell sie alle in eine Reihe mit heruntergelassenen Hosen und keiner wäre auch nur halb so klug, dass sie ihn auch nur eines Schlages würdigen würde. Klug genug.......mutig genug.
Ein offizieller Absender. Sie ist mutig, scheint es. Du...schreibt er....mein Arsch ist der klügste der Nordhalbkugel. Wenn du willst, kannst du ihn haben.

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